Interventionen gegen die “Rote Antifa”

Seit über eineinhalb Jahren etabliert sich in den antifaschistischen Strukturen in NRW eine junge Duisburger Gruppe unter dem Label “Rote Antifa”. Die Gruppe erklärt auf ihrer Internetseite, sie verstehe sich als Duisburger Vorhut einer internationalistischen, antirassistischen und antikapitalistischen Globalbewegung. Seit Beginn ihrer politischen Tätigkeit ist die Gruppe regelmäßig in gewalttätige Aktionen gegen andere antifaschistische Gruppen und Einzelpersonen involviert. Zudem kam es zu Aussagen, die darauf schließen lassen, dass die “Rote Antifa” einen anarchistischen und kommunistischen Minimalkonsens nicht teilt. Im Folgenden möchten wir beispielhaft einige Ereignisse aufführen, um zu verdeutlichen, warum wir – Anarchist_innen und Kommunist_innen aus NRW – eine Zusammenarbeit mit der “Roten Antifa” für untragbar halten.

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Interventionen gegen die “Rote Antifa”

Seit über eineinhalb Jahren etabliert sich in den antifaschistischen Strukturen in NRW eine junge Duisburger Gruppe unter dem Label “Rote Antifa”. Die Gruppe erklärt auf ihrer Internetseite, sie verstehe sich als Duisburger Vorhut einer internationalistischen, antirassistischen und antikapitalistischen Globalbewegung. Schon seit einigen Monaten ist sie zumindest teilweise an der medialen Aufarbeitung von Anti-Nazi-, Friedens- und anderen sozialpolitischen Demonstrationen beteiligt – ein umfangreiches Internetarchiv vermittelt den Eindruck einer stark organisierten und durch breite Strukturen unterstützten Arbeit. Sie sucht darüber hinaus Anschluss zu bestehenden linken Strukturen in NRW. Auch im restlichen Bundesgebiet und teilweise sogar im europäischen Ausland knüpft sie erste Kontakte. Sie tritt auf nahezu allen größeren politischen Events in NRW in Erscheinung, mobilisiert zu eigenen Antifa-Blöcken und führt schwach organisierte Demonstrationen spontan durch eine geschlossene Spitze und eigene Transparente an. Demnach ließe sich also eine Bereicherung hiesiger Strukturen vermuten. Doch seit Beginn ihrer politischen Tätigkeit ist die Gruppe regelmäßig in gewalttätige Aktionen gegen andere antifaschistische Gruppen und Einzelpersonen involviert. Zudem kam es zu Aussagen, die darauf schließen lassen, dass die “Rote Antifa” einen anarchistischen und linkskommunistischen Minimalkonsens nicht teilt.

Im Folgenden möchten wir beispielhaft einige Ereignisse aufführen, um zu verdeutlichen, warum wir – Anarchist_innen und Kommunist_innen aus NRW – eine Zusammenarbeit mit der “Roten Antifa” für untragbar halten. In manchen der bekannt gewordenen Fälle konnte nicht abschließend geklärt werden, ob es sich bei den Beteiligten ausschließlich um Mitglieder der Gruppe oder auch oder nur um ihr politisches Umfeld handelt. Bei den nachfolgend beschrieben Situationen darf ihre – zumindest indirekte – Beteiligung als gesichert gelten. Vollständig – und das halten wir für bezeichnend – ist die Chronologie allerdings nicht. Während der Zusammenstellung sind eine Reihe weiterer Vorfälle bekannt geworden, die nicht mehr erfasst wurden.

Wir möchten vermeiden, die innerlinken Auseinandersetzungen der letzten Jahre bewertend darzustellen. Wir sind uns im Klaren, dass die Aktionen der “Roten Antifa” nicht in politisch neutralem Raum stattgefunden haben. Wir halten allerdings genau so fest, dass sexistische Beleidigungen und ähnliche Übergriffe auf andere Antifaschist_innen niemals legitimer Teil einer linkspolitischen Auseinandersetzung sein können.

 

Die Gründungsphase der “Roten Antifa”

Die ersten von der “Roten Antifa” ausgehenden Konfrontationssituationen wurden bereits kürzeste Zeit nach ihrer offiziellen Gründung dokumentiert. Am 01.09.07 kam es im Rahmen der Gegenveranstaltungen zum neonazistischen Dortmunder “Antikriegstag” zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen einer Dortmunder Antifaschistin und Mitgliedern der “Roten Antifa”. Schon wenige Sekunden nach Beginn des verbalen Schlagabtausches bauten sich die insgesamt sechs Duisburger_innen um die Antifaschistin auf. Eine Person trat hervor und schubste sie unter Abschirmung der anderen Beteiligten vor die Brust. Die Antifaschistin konnte sich zwar durch einen beherzten Schlag ins Gesicht des Angreifers aus der Situation befreien. Allerdings warnten die Duisburger_innen bereits wenige Minuten später gegenüber anwesenden Genoss_innen der Antifaschistin, man solle demnächst “aufpassen” auf “die kleine Freundin”, weil es sonst “richtig knallt”. Schon hier machten sie deutlich, dass sie Frauen nicht einmal dann als Subjekte Ernst nehmen, wenn diese ihren Aggressionen entsprechend begegnen – ihre Worte und Taten zählen nur dann, wenn sie unter Schutzherrschaft männlicher Begleiter stehen. Solche Äußerungen wiederholten sich auch bei späteren Auseinandersetzungen.

Zwei Monate später erschien eine Erklärung[1] aus dem Umfeld des Autonomen Zentrums Mülheim/Ruhr als Reaktion auf einen Vorfall während eines Diskoabends am 02.11.07. Mitglieder der “Roten Antifa” hatten auf dem Weg zum AZ nationalistische und unverholen antisemitische Parolen (u.A. “Tod für Israel”) gebrüllt. In der Folge wurde den Personen, unter Anderem deswegen, der Zutritt zum AZ verwehrt. In der Auseinandersetzung wurde eine Mitarbeiterin des AZs als “Schlampe” beschimpft. In einer wenige Tage später eingereichten Erklärung distanzierte sich die Gruppe zwar von der sexistischen Beleidigung, in dem Sinne, dass im Eifer des Gefechts so etwas wohl jedem passieren könne, und der geäußerten Gewaltandrohungen, ließ aber die antisemitischen Parolen völlig unkommentiert. Das Plenum des Autonomen Zentrums reagierte auf die unzufrieden stellenden Äußerungen mit einem Hausverbot.

Das Wuppertaler AZ, das in diesem Zeitraum ebenfalls Anlaufpunkt für die Gruppe geworden war, wurde unterdessen regelmäßig mit verschiedenen Schmierereien versehen – durchgestrichene Davidsterne, “Boykott Israel”, “Intifada bis zum Tod” und eine mit Davidstern versehene Nazi-Fahne gehörten zu den herausstechendsten Wandgestaltungen der Duisburger Antifas. Auch gegenüber dem AZ Wuppertal gab es in Folge der Zutrittsverweigerung in Mülheim halbherzige Besserungsversprechen der “Roten Antifa”, die allerdings zu keiner Zeit ernsthaft eingehalten wurden: In Bündnisgesprächen anlässlich eines Nazi-Aufmarsches in Essen (08.12.07) gaben Mitglieder der “Roten Antifa” zu verstehen, wie wenig ihren “antisexistischen” Distanzierungen zu glauben ist. Sie kündigten mehrfach an, den Nazis dadurch beizukommen, sie “in den Arsch [zu] ficken”. Auch in den folgenden Monaten blieb die von ihnen angekündigte positive Entwicklung der “Roten Antifa” vollständig aus. Sie versäumte es nicht nur, eine Kehrtwende in Bezug auf ihre sexistischen und homophoben Tendenzen einzuleiten, sie radikalisierte ihr politisches Programm sogar und beantwortete linke Konfliktfragen nun auch auf Demonstrationen entsprechend ihren bisherigen Äußerungen. Noch während der sog. “Antikap”-Demonstration vom 09.02.08 in Essen kam es wieder zu verbalen Angriffen auf anwesende Antifas. Anlass war hier eine von anwesenden Antifas mitgeführte Israelflagge, die die “Rote Antifa” zu massiven Gewaltandrohungen motivierte.

 

Ende 2008 – Verschärfung der politischen Programmatik

Es ist durchaus nicht davon auszugehen, dass die Duisburger_innen zu diesem oder einem späteren Zeitpunkt “lediglich” eine “antinationale” Perspektive verschärften. Die Gruppe unterhielt seit ihrer Gründung Kontakte zum pro-nationalistischen Duisburger “Initiativ e.V.”. Ende des Jahres 2008 unterschrieb sie auch einen Aufruf[2] der religiös-nationalistischen Initiative “Stoppt die Hetze”, auf deren Demonstrationen Männer und Frauen in separierten Blöcken laufen müssen und regelmäßig Unmengen von Nationalfahnen getragen werden. Die verbalen und körperlichen Angriffe auf israelische und jüdische Symbole galten also von Beginn an ihrem jüdisch-israelischen und nicht – nicht einmal dem Anspruch nach – ihrem religiös-nationalen Charakter.

Ab Januar 2009 mehrten sich darüber hinaus eigenständige Verlautbarungen. So veröffentlichte die Gruppe einen Aufruf zu einem “Antifa-Block” auf einer der zahlreichen nordrheinwestfälischen Demonstrationen gegen den israelisch-palästinensischen Krieg: In einem eigens formulierten Flyer[3] (“Stoppt das imperialistische Massaker in Gaza! Solidarität mit Palästina!”) erklärte sie die israelischen Behörden zum Alleinschuldigen der Entwicklungen. In den gesamten Ausführungen fanden Konfliktvertreter wie die Hamas oder andere Staaten der Region, die im Konflikt involviert waren, keinerlei Erwähnung. Auch hier ging es also nicht um eine grundsätzliche Ablehnung militärischer Konfliktlösungen. Tatsächlich demonstrierten die Duisburger_innen dann auch unter den nationalistischen und religiös-fundamentalistischen Sprechchören und Symbolen, die seinerzeit auf den Demonstrationen präsent waren, u.a. auch mit einer mitgeführten Flagge des Baskenlandes. Ausgehend von einer solchen Demonstration kam es dann auch zu einem weiteren Übergriff. Antifaschistische Jugendliche, die eine Düsseldorfer Großdemonstration am 03.01.09 beobachtet hatten, gerieten nach kurzer Zeit ins Visier einiger Duisburger Demonstrationsteilnehmer_innen. Ein Mitglied der “Roten Antifa” nahm einen durch die Beobachter_innen verklebten Aufkleber (“Deutschland stinkt!”) zum Anlass für eine Auseinandersetzung. Er fuhr die Antifas an, sie sollten gefälligst den “‘Gegen Deutschland’-Scheiß” von der Demonstration fernhalten. Auch hier waren die “antisexistischen” Distanzierungsversuche – ein Jahr nach den ersten Auseinandersetzungen – schon wieder vergessen. Eine am Wortgefecht beteiligte Antifaschistin wurde von dem Duisburger als “antideutsche Fotze” beleidigt. Als das Mitglied der “Roten Antifa” versuchte, den Aufkleber zu entfernen, kam es zum Handgemenge. Die angesprochene Genossin wurde dabei als Erste angriffen.

 

Die aktuelle Entwicklung

Im Rahmen der ersten Demonstration gegen den Essener Thor Steinar-Laden “Oseberg” (06.04.09) wurde erneut eine Antifaschistin aus dem Block der “Roten Antifa” angegriffen. Sie verteilte Flyer an umstehende Passant_innen, als sich ein Demonstrant aus dem Block löste um zielstrebig auf die Verteilerin loszugehen. Während diese noch nicht einmal realisiert hatte, was passiert, hatte sie der Demonstrant geschubst, unmittelbar danach einen an der Jacke befestigten Israelbutton abgerissen und diesen zu Boden geworfen. Da bereits zu diesem Zeitpunkt nationalistische Accessoires – vom sog. “Pali-Tuch” bis hin zu Buttons mit palästinensischer Flagge – zum Grundrepertoire der Duisburger_innen gehörten, muss davon ausgegangen werden, dass es auch hier um Israel und nicht um Nationalsymbole im Allgemeinen ging.

Eine weitere für den 06.06.09 organisierte Demonstration – wiederum gegen den Nazi-Laden “Oseberg” – wurde zu guter Letzt von Mitgliedern der Gruppe und ihrem politischen Umfeld gewalttätig an sich gerissen. Wie schon beim ersten Angriff rund um den “Oseberg”, wurden auch hier provozierende Nazis am Rande stehen gelassen; Flaggen verfassungsnationalistischer Parteien, wie die der “Grünen Jugend”, wurden ignoriert oder sogar beklatscht. Als störend und “provokativ” wurden wieder einmal ausschließlich zwei am Ende der Demonstration getragene Israelflaggen empfunden. Etwa vierzig bis fünfzig Demonstrant_innen drängten die letzten verbliebenen organisierten Antifas unter Wortführung einiger Mitglieder der “Roten Antifa” und der “Revolutionären Jugend” vom Demonstrationszug ab. Hier war erstmalig ein breites Unterstützer_innenspektrum der “Roten Antifa” bemerkbar. Neben den Einzelmitgliedern war es vorallem die “TKIB”, die die Aktion dominierte.[4] Darüber hinaus waren auch Einzelpersonen der “Antifaschistischen Jugend Bochum” (AJB) bzw. aus deren Umfeld beteiligt. Begleitet wurde die im Nachhinein als “antinational” bemäntelte Aktion von Parolen wie “Viva, viva, viva Palästina” und “Intifada bis zum Tod”.

 

Die “Rote Antifa” – eine Bilanz

Die Aktionen der “Roten Antifa” sind unserer Einschätzung nach nicht mehr legitimer Teil einer innerlinken Diskussion. Seit ihrer Gründung vertritt die Gruppe offensiv Inhalte, die im undogmatisch-linksradikalen Spektrum aus guten Gründen abgelehnt werden. Ihre Zusammenarbeit mit autoritären und nationalistischen Gruppen macht zudem deutlich, dass diese Inhalte konkrete Konsequenzen für die lokalen Antifa-Strukturen haben sollten. Ihre wiederholten sexistischen und antisemitischen Äußerungen und ihre zunehmenden Übergriffe auf Antifaschist_innen lassen erkennen, dass sie nicht bereit ist, ihre politische Basis kritisch zu reflektieren. In den letzten Monaten ist es immer wieder zu Kritik gegen das Vorgehen der “Roten Antifa” gekommen. Trotzdem hat sie bislang verweigert, diese Kritik umzusetzen. Im Gegenteil, so lange Konsequenzen ausbleiben, steigert sie ihr provokatives Verhalten. Keiner der genannten Vorfälle lässt sich auf die bisherigen Auseinandersetzungen zwischen traditions- und postantifaschistischen, zwischen kommunistischen und anarchistischen Strömungen reduzieren. Im Ruhrgebiet tritt eine Gruppe in Erscheinung, die die Zusammenarbeit mit Nationalist_innen, religiösen Fundamentalist_innen und Antisemit_innen hoffähig machen möchte – diese Entwicklung gilt es endlich aufzuhalten!

Wir können nur alle Gruppen, autonome Initiativen und linke Zentren dazu auffordern, sich in aller Deutlichkeit von dieser Gruppe zu distanzieren und endgültig die Unterstützung für die “Rote Antifa” aufzukündigen. Solange Antifaschist_innen in ihrer Anwesenheit um ihre körperliche und psychische Unversehrtheit bangen müssen, haben sie in emanzipatorischen Zusammenhängen nichts zu suchen! In diesem Sinne fordern wir von den antifaschistischen Strukturen auch keine Stellungnahme zu linken Diskursen und keine politische Positionierung im Zusammenhang jahrelang bestehender Konflikte. Wir fordern von Antifaschist_innen lediglich eine Abkehr von nationalistischen, sexistischen und antisemitischen Gruppen und Einzelpersonen.

 

 

Quellen:

[1] http://projekte.free.de/a2k2/mainpage.php?cat=archiv&id=789
[2] http://www.stoppt-die-hetze.de/
[3] http://www.rote-antifa.org/index.php?option=com_phocadownload&view=category&id=4:aufrufe&Itemid=64
[4] Die Beteiligung der verschiedenen Gruppen ist in diesem Fall auch auf der Internetseite der “Revolutionären Jugend” dokumentiert: http://revolutionaerejugend.de/de/?p=158

 

 

 

 

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