Antiamerikanismus, Antizionismus und verkürzte Kapitalismuskritik angreifen!   Den “Antikriegstag” sabotieren!

Am 4.September wollen sich Hunderte Neonazis in Dortmund versammeln, um vermeintlich „Gegen Krieg und Kapitalismus“ zu demonstrieren. Es ist kein Zufall, dass sich Neonazis Themen aussuchen, mit denen sie zumindest teilweise an den Konsens der deutschen Gesellschaft anknüpfen können. Folgerichtig wenden sie sich in ihrem Aufruf im Namen „aller Völker“ gegen eine obskure „geldhungrige international agierende und auserwählte Minderheit“ und „das wahre Gesicht der westlichen Verwertungsmaschine“. Wen sie damit meinen ist klar: die USA und Israel als den Staat der Jüdinnen und Juden – und sie können sich sicher sein: die mag hier sowieso kaum jemand.

Neonazistische und faschistische Strukturen stellen in Städten wie Dortmund eine ernsthafte Gefahr für alle dar, die von ihnen zu Feinden erklärt werden, weshalb ihnen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln Einhalt geboten werden muss. Antifaschismus darf sich aber nicht zu einem Abwehr-Antifaschimus degradieren lassen, weil er so vereinhambar und beliebig wird. Antifaschistische Kritik muss sich vielmehr antifetischistisch und antiidelogisch betätigen, also Gesellschaftskritik betreiben und auf eine Aufhebung der bestehenden Verhältnise hinwirken. Aus diesen Gründen veranstalten antifaschistische und kommunistische Gruppen aus NRW eine Veranstaltungsreihe und rufen zur Beteiligung an den Aktionen des S4-Bündnis auf.

Weitere Infos dazu unter: » do10.blogsport.de

 

 

In Münster findet in diesem Rahmen folgende Veranstaltung statt:
“Wie die Heuschrecken kommen
sie über unser Land …”

Über die Fallstricke einer verkürzten Kapitalismuskritik
Vortrag und Diskussion mit Marcus Meier

25.08.2010 | 19:30 Uhr | Club Courage

Weitere Infos zum Vortrag: » hier.

 

 

Außerdem hingewiesen sei auf die Aktionen des S4-Bündnis gegen den Naziaufmarsch – am 26.08. veranstaltet die Antifaschistische Linke Münster hierzu um 20 Uhr einen Informationsabend im Club Courage.

 

 

Der Aufruf antifaschistischer und kommunistischer Gruppen aus NRW ist hier dokumentiert:

 

Antiamerikanismus, Antizionismus und
verkürzte Kapitalismuskritik angreifen!
Den "Antikriegstag" sabotieren!

Es ist ein Trauerspiel. Am 4.September wollen sich Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet und darüber hinaus in Dortmund versammeln, um „gegen Krieg und Kapitalismus“ zu demonstrieren. Auch in diesem Jahr wird es zahlreiche Gegenaktionen geben, vom bürgerlichen bis zum linksradikalen Spektrum, vom Würstchenstand bis zur Straßenblockade ist einiges angekündigt. Sieht man von den mehr und minder praktikablen bzw. erfolgversprechenden Aktionsformen einmal ab, findet man in den bisher kursierenden Aufrufen vor allem eines: Abwesenheit einer Auseinandersetzung mit der Ideologie der Neonazis und mangelnde Reflektion der bestehenden Verhältnisse, obwohl gerade dies bitter nötig wäre.

Es ist kein Zufall, dass sich Neonazis Themen aussuchen mit denen sie ohne große inhaltliche Einbußen an den Konsens der deutschen Gesellschaft anknüpfen können – sie kehren damit vielmehr zu ihrem Ursprung zurück. Im diesjährigen Aufruf wenden sich die Neonazis auf den ersten Blick nicht plump gegen die USA und Israel, sondern meinen „das wahre Gesicht der westlichen Verwertungsmaschine“ erkannt zu haben, deren „Machtelite“ „sich auf den Kosten der Völker und des Lebens eine goldene Nase verdienen“ würde. Dabei ist offensichtlich, dass mit „westlicher Verwertungsmaschine“ die Personifizierung eines „liberalkapitalistische[n] Wirtschaftssystems“ gemeint ist: die USA. Mit der antisemitischen Phrase von der „goldene[n] Nase“ und der „Machtelite“ verweisen sie in guter deutscher Tradition ideologisch auf ihr "Antivolk", Jüdinnen und Juden, deren Staat Israel als Feind „souveräne[r] Volksstaaten“ aufgestellt wird.
Weder das Gerede vom "deutschen Volk", welches vor einer jüdisch und amerikanisch identifizierten "Eskalation" des Kapitalismus ("Heuschrecken-Debatte") geschützt werden muss und den Individuen Einpassung, Unterordnung und Opfer abverlangt, noch das ständige Front machen gegen die USA und insbesondere Israel sind exklusive Domänen der extremen Rechten: sie gehören zum alltäglichen deutschen Diskurs. Mit ihren Feindbildern USA und Israel können sich die "Autonomen Nationalisten" sicher sein: die mag hier ohnehin kaum jemand. Die mediale Aufmerksamkeit und die Hartnäckigkeit des öffentlichen Diskurses gegenüber militärischen Auseinandersetzungen, in welche USA und Israel verwickelt sind, belegen genau das. Andere Krisenherde der Welt sind bestenfalls am Rande von Events der Rede wert. So war es beispielsweise im Juli 2010 nur die Fußball WM, die die Lage des afrikanischen Kontinents für die Mehrheitsbevölkerung interessant machte.

 

“America is just a word but I use it.”
(Fugazi – Stacks – Steady Diet of Nothing – Dischord 1991)

Dass in Deutschland Massenproteste gerade dann möglich werden, wenn die USA beteiligt sind (zuletzt gegen den Irakkrieg 2003), und ausbleiben wenn Sozialabbau betrieben wird oder Deutschland gegen Jugoslawien Krieg führt, ist kaum Zufall. Angefangen von einer als vulgär und traditionslos, kommerziell oder unauthentisch verschrieenen "amerikanischen Kultur" über die Charakterisierung des politischen Systems der USA als undemokratisch bis hin zum Vorwurf der ungezügelten kapitalistischen Vergesellschaftung, dient Nordamerika dem europäischen Festland als Projektionsfläche einer anderen, schlechteren Moderne. An das sich moralisch und diplomatisch stilisierende Europa stellen die USA als angeblich grobe, nur an wirtschaftlichem Vorteil interessierte Hegemonialmacht ständig die Aufgabe geeint als Gegengewicht für Frieden und Gerechtigkeit aufzutreten. An diesem Verhältnis konnte auch Barak Obamas anfänglich bejubelte Wahl zum Präsidenten letztendlich wenig ändern. Zudem werden militärische Interventionen mit einem Maß gemessen, das schon vor dem Anlegen auf ein "amerikanisches Desaster" geeicht ist – unabhängig davon, dass die in religiös oder nationalistisch begründeten Konflikten und Kriegen auftretende Gewalt meist wesentlich mehr Menschenleben fordert.
Als einfaches Welterklärungsmodell, in dem die USA als Aspirant der Weltherrschaft und wesentlicher Protagonist des globalisierten, militärischen Kapitalismus erscheinen, ist der Antiamerikanismus populärer denn je.

Während sich die deutsche Gesellschaft durch eine Europäisierung der Shoah als nationaler Schöpfungsmythos einerseits entlastet sieht, versteht sie sich gleichzeitig durch eine angeblich gelungene "Aufarbeitung" der nationalsozialistischen Verbrechen gerade dazu legitimiert, selbst Krieg zu führen – die USA hingegen haben keinen Zivilisationsbruch auf ihrer Seite, um sich ähnlich universell abzusichern. Die Wirksamkeit dieser Wendung der Geschichte haben die "Autonomen Nationalisten" angesichts ihrer ideologischen Nähe zum historischen Nationalsozialismus nicht begriffen. Sie wettern gegen „Schuldkult und die Lüge über deutsche Verbrechen während des 2. Weltkrieges“, anstatt sie, wie ihre bürgerlichen Pendanten, zu relativieren und als "bewältigt" nur dem Bedarf entsprechend anzuführen.

 

Im Gewand des Antizionismus

Auch im Falle Israels sind die Neonazis in ihrer Ideologie nicht so weit vom gesellschaftlichen Mainstream entfernt, wie die Extremismusforschung einstweilen glauben machen will. Die generellen Verurteilungen jeglicher israelischer Militäraktionen, die auch ohne klare Informationslage von Junge Welt bis SZ aus den Kommentarspalten bricht, unterscheiden sich nur wenig vom Kurs der deutschen Politik, die im gleichen Atemzug Israels Sicherheit zur Staatsräson erhebt, in dem die Mittel zur Wahrung dieser Sicherheit abgesprochen werden.
Auch wenn anders als in den eliminatorischen Träumen der Neonazis der Staat Israel durch stetige Kritik und Ablehnung immer mehr diskreditiert wird, bleibt die Konsequenz ähnlich: Wenn Israel sich nicht verteidigen würde, stünde es einer Übermacht aus potentiell feindlichen Armeen des Umlandes und den von diesen geförderten terroristischen Organisationen gegenüber.
Beim Thema "Israel" werden Stereotype bedient, welche sich als Reproduktion klassischer antisemitischer Ressentiments darstellen: Israel wird als übermächtiger Staat angesehen, der den Weltfrieden gefährdet und jederzeit auf territoriale Erweiterung sinnt. Ebenso wie für AntisemitInnen jegliches Charakteristikum eines von ihnen als jüdisch identifizierten Menschen nur immer neues Material für ihre Projektion liefert, wird jede Handlung des Staates Israel gegen ihn gewendet. Als Weiterführung der Schlussstrichdebatte und der moralischen Reinwaschung Deutschlands werden NS-Vergleiche bemüht und Israel als Hort eines neuen Faschismus imaginiert.

 

Das Volk ist Opium für’s Volk

Wenn die "Autonomen Nationalisten" in ihrem Aufruf mit dem Wohl halluzinierter „Völker als wesenhafte[n] Gemeinschaften“ argumentieren, das vor einem „wesensfremde[n] Menschenbild des Liberalismus“ und einem „liberalkapitalistische[n] Wirtschaftssystem“ verteidigt werden muss, fühlt man sich zu recht an die postnazistische deutsche Zivilgesellschaft und deren Begeisterung für die "soziale Marktwirtschaft", die verhandelnden Einheitsgewerkschaften und den allseits hoch geschätzten Sozialpakt erinnert. Wenn in den Debatten um Kürzungen der staatlichen Sozialleistungen der individuelle Verzicht für das Gemeinwohl auftaucht oder die Deutschen anlässlich von Sportereignissen ihre kollektive Liebe zur Nation auf die Straße bringen, zeigt sich, dass die Neonazis in radikalisierter Form konsequent zu Ende denken, was der Rest ihrer Gesellschaft bereits vorlebt. Diese Überschneidungen zwischen Ideologie der Neonazis und Idealen des gesellschaftlichen Konsens sind für Debatten in Deutschland charakteristisch: sie wurzeln in den Überresten des historischen Nationalsozialismus und bedingen Argumentationsmuster, die auf eine Versöhnung der inhärenten Widersprüche kapitalistischer Produktionsweise zielen. Dazu gehören beispielsweise das nicht einlösbare Versprechen der bürgerlichen Ideale von "Freiheit und Gleichheit" ohne kapitalistische oder völkische Überformung und die Aufhebung des schon rein materiell unauflösbaren Klassenantagonismus.

Durch ihre Erdung in einem biologisierenden und völkischen Weltbild mag die radikale Rechte vom gesellschaftlichen Konsens noch entfernt sein. Der rassistische Normalzustand, der nicht zuletzt den ökonomischen Interessen des deutschen Kapitals dient, welches billige wie hochqualifizierte Arbeitskräfte braucht, aber nicht bekommt, lässt jedoch auch hier tief blicken. Es drängt sich der Verdacht auf, dass die "Aufarbeitung" der NS-Zeit durch Schulunterricht, Medien und wissenschaftliche Publikationen vor allem eines ist: die Fortsetzung einer halbherzigen und gescheiterten Reeducation, die Auferstehung der deutschen Nation in "geläuterter" Form. Die deutschen Zustände sind in ihrer historischen Spezifität und aktuellen Erscheinungsform nur als Folge des gewaltsam, von Außen gestoppten Wahns von der Volksgemeinschaft zu verstehen und nur als solche adäquat zu bekämpfen.

 

“They don’t call him ‘Columbine’ because he wears a trench coat..”

Was sich im Antiamerikanismus und Antizionismus Ausdruck verschafft und durch die hoffungsvollen Verweise bei den Bürgern auf eine entschärfte "soziale" Alternative zum Kapitalismus und als Forderung der mörderischen Volksgemeinschaft bei den Neonazis widerspiegelt, ist zweierlei. Zum einen das Missverständnis den Kapitalismus nicht als Totalität, in der es keine Herrschenden gibt, sondern als durch einzelne Personengruppen oder Staaten instrumentalisiertes Gebilde zu begreifen. Zum anderen eine zur Analyse des Kapitalismus unfähige Kritik des selben, die sich an den Objekten der Personalisierungen zu entladen droht.

Im Kapitalismus muss jedeR Einzelne seine/ihre Bedürfnisse durch Tausch von Gebrauchsgegenständen befriedigen. Die Menschen produzieren isoliert voneinander Dinge, die Gebrauchsgegenstände für andere sein sollen, um dadurch selbst an Gebrauchsgegenstände zu kommen. Im Austausch werden alle Dinge notwendig auf ein Drittes reduziert, welches das Austauschverhältnis festlegt: den Wert. Die Grundlage dieser Abstraktion ist die Menge Arbeitszeit, die üblicherweise auf einen Gegenstand verwand werden muss, um ihn zu beschaffen. Damit ist der Wert bestimmt durch die Arbeitszeit, die gesellschaftlich notwendig ist, um die Rohstoffe für ihn aufzutreiben, ihn zu produzieren, zu den VerbraucherInnen zu bringen, usw. Nur so lässt sich die kapitalistische Produktion überhaupt denken. Die Beziehungen der Menschen zueinander sind nur über die Beziehungen der Gegenstände geregelt, nicht etwa durch Absprachen oder einen gemeinsamen Plan. Dass dies so funktioniert, ist ein von den Menschen hervorgebrachtes Faktum, kein natürliches. Denn die Produktion von Gebrauchsgegenständen und auch das Verteilen dieser ließe sich anders und besser regeln und wurde historisch auch schon anders – wenn auch nicht zwangsläufig besser – bewerkstelligt.

Dass den Dingen nun aber Wert zukommt, also etwas, dass von den Menschen meist unbewusst nur durch eine Abstraktion in sie hineingelegt wird, ist zwar unter den bestehenden Verhältnissen Faktum, kann jedoch weder als natürliche Notwendigkeit angesehen werden, noch ließe sich der Wert in den Gegenständen ausfindig machen, ist er doch nur soziale Konstruktion.
Die Dinge verselbstständigen sich gegenüber den Menschen, sie bestimmen deren Leben und deren Verhalten. JedeR ist gezwungen, sich in den Austausch einzubringen, um die eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. Für diejenigen, die keine Produktionsmittel zur Verfügung haben, bleibt nur die eigene Arbeitskraft als ihnen gehörende Ware zum Verkauf übrig. Diejenigen, welche Produktionsmittel besitzen, stehen in Konkurrenz zueinander und müssen durch immer ausgereiftere und günstigere Produktion gegeneinander bestehen. Die in abstrakte Herrschaft gesetzten kapitalistischen Zwänge sind also für alle spürbar, erscheinen aber als natürlich und obskur. Das Verständnis dieser Verselbstständigung als eine den Dingen notwendig, als Natur zukommende Eigenschaft – und die sich dadurch folgerichtig entfaltende spezifische Strukturierung der Gesellschaft – nennt Karl Marx Fetisch.

Die hier skizzierten Phänomene setzten sich auf allen Ebenen der Gesellschaft fort – sie werden undurchsichtiger, komplexer und ausgefeilter und bestimmen das Leben der Menschen, ohne, dass diese direkten Einfluss auf sie nehmen können. Da Ware, Wert, Arbeit, Staat als Kategorien des Kapitalismus miteinander untrennbar verzahnt sind, ergibt eine Kritik an einzelnen Erscheinungsformen – wie den Banken oder den Finanzmärkten – genauso wenig Sinn wie die Behauptung, dass die Produktionssphäre ohne die Zirkulationssphäre existieren könnte.

 

“..they call him ‘Columbine’ because he kills people.”
(The Now – s/t – Robotic Empire 2003)

Dem Alltagsverständnis verschließen sich diese Tatsachen. Vielmehr stehen die der kapitalistischen Produktionsweise unterworfenen Menschen vor dem Paradoxon, dass in den Waren stoffliche nützliche Gegenstände mit einer abstrakten gesellschaftlichen Kategorie in eines fallen. In der bürgerlichen Gesellschaft neigen die vereinzelten Subjekte dazu, durch den Anschluss an etwas größeres – zumeist vorgestellte Gemeinschaften wie Volk, Nation und Religionsgemeinschaften – die eigene Ohnmacht gegenüber den Verhältnissen überwinden zu wollen. Ideologien, welche auf die Konkurrenz der WarenverkäuferInnen zugeschnitten sind, werden verstärkt angenommen – so kann Rassismus beispielsweise auch als Versuch des Ausschlusses von potentiellen KonkurentInnen gelesen werden. Die abstrakte und scheinbar übermächtige Seite des Kapitalismus wird mit Personengruppen gleichgesetzt, die ideologisch und traditionell schon immer ausgegrenzt waren – Jüdinnen und Juden, Sinti und Roma. Während Jüdinnen und Juden eine "Weltverschwörung" gegen die "schaffende Arbeit" zugeschrieben wird, in der sie den Kapitalismus kontrollierten oder zumindest übermäßig großen Einfluss auf dessen Verlauf nehmen würden, wird Sinti und Roma als "ZigeunerInnen" ein "zersetzender Einfluss" zugeschrieben. Dieser Einfluss rührt angeblich daher, dass sie sich nicht "zivilisieren" lassen würden und so das nationale Projekt nicht durch Arbeit vorantrieben, sondern es vielmehr durch Diebstahl schädigten. Die Wendung des Stereotyps in einem romatisierten "Zigeunerleben" in der (Kinderbuch-)Literatur zeigt anschaulich, dass diese Stereotype auch in der Mehrheitsgesellschaft Anklang finden und weit verbreitet sind.
Sowohl dem Antisemitismus, wie auch dem Antiziganismus ist gemeinsam, dass sie genau das wiedergeben, was dem bürgerlichen Subjekt versagt bleiben muss – weder kann es gegen den Kapitalismus angehen, noch dessen (gesellschaftlichen) Zwängen entgehen.

Die Spitze der Auswüchse des geheimnisvollen Charakters der Ware macht der Rückschritt aus der bürgerlichen Gesellschaft in die Barbarei klar. Der Nationalsozialismus beabsichtigte als eine "antikapitalistische" Bewegung die negative Überwindung der Klassengesellschaft. Durch die andauernde Vernichtung derer, die im Wahn mit den Mechanismen des Kapitalismus gleichgesetzt wurden und als die Volksgemeinschaft zersetzende Elemente ausgemacht wurden, setzte sie sich als Mordkollektiv in Existenz. Die Vernichtung war so der eigentliche Zweck der Bewegung, Vernichtung um der Vernichtung willen. Deshalb konnten die Räder der nationalsozialistischen Maschinerie nie stehen bleiben, keine Störung konnte zugelassen werden. Auf das Gleiche steuern die "Autonomen Nationalisten" mit ihrer völkischen und biologistischen Argumentation hin, auch wenn sie es nur zu gerne leugnen. Antisemitismus und Antiziganismus, die aus dem kapitalistischen Normalzustand geschöpft sind und zur bürgerlichen Gesellschaft gehören wie die heilige Familie, zielen auch in diese Richtung.

 

“Scratch the surface..”

Antifaschismus muss, will er als solcher ernst zunehmen sein, bei den Ideologien ansetzten, welche die bestehende Gesellschaft ausmachen und zusammenhalten. Dazu gehört auch, den Ursprung und die Reproduktion von Ideologie durch die kapitalistische Produktionsweise zu begreifen und auf eine Vertiefung einer kritischen Theorie der Gesellschaft hinzuwirken. Antifaschismus muss sich daher maßgeblich antifetischistisch und antiidelogisch betätigen, also kommunistische Gesellschaftskritik betreiben und auf eine Aufhebung der bestehenden Gesellschaft hinwirken.

 

“..don’t waste my time!”
(Sick of it all – Scratch the Surface – Eastwest 1994)

Das bedeutet nicht, dass praktischer Aktivismus gegen neonazistische und faschistische Strukturen überflüssig wäre. Selbstverständlich muss den radikalen Feinden jeglicher emanzipatorischer und individualistischer Bestrebungen, welche auch eine ernsthafte Gefahr für alle darstellen, die nicht in ihr Weltbild passen, Einhalt geboten werden. Will antifaschistische Kritik sich aber nicht zum Statthalter des nationalen Mythos von der gelungenen Reeducation, von Läuterung und Aufarbeitung machen, muss sie sich von den bürgerlichen Protesten, die auf die Wahrung des guten Rufes und der ungestörten Kontinuität des Tagesgeschäfts abzielen, durch ihre konsequente Kritik absetzen.
Anders als ’33 steht heute kein neues Reich in den Startlöchern gegen das es Zweckallianzen zu schmieden gälte. Eine konsequente und radikale Gesellschaftskritik darf sich erst recht nicht auf diesem Wege entpolarisieren lassen. Vielmehr muss sie die Brechstange bei den inhärenten Widersprüchen der bürgerlichen Gesellschaft ansetzen.

 

 

Kein Friede mit den Feinden der Emanzipation!
Für die freie Assoziation freier Individuen!

Unterstützt die Aktionen des S4-Bündnis!

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