an enemy of the people?

Zur Kritik des deutschen Antiamerikanismus

22.09.2011 | 19:30 Uhr | Club Courage | Münster

Language includes some noises which,
first heard,
Cleave us between belief and disbelief.
The word America is such a word.
(William Meredith)

 
Die verheerendsten Attacken auf Einrichtungen innerhalb des us-amerikanischen Territoriums, die Terroranschläge des 11. September, jähren sich 2011 zum zehnten Mal: Das bietet manchen Betrachter_innen Anlass genug, einmal mehr vom baldigen Ende des amerikanischen Jahrhunderts und der pax americana zu sprechen, einer zeitgeschichtlichen Epoche, die mit dem ersten Einsatz von US-Truppen außerhalb des amerikanischen Kontinents im Jahr 1917 ihren Anfang nahm. Diese Debatte findet dabei nicht nur, aber auch in Deutschland statt, ausgerechnet dem Land, das die USA zweimal militärisch bekämpften und im Anschluss daran maßgeblich mit US-Kapital wieder aufzubauen halfen. Deutsche Popmusiker thematisieren amerikanische Außenpolitik, die ARD zeigte jüngst einen Dokumentar-Zweiteiler von Stefan Aust über die Anschläge, in dem die USA mehr als schlecht wegkommen, das Fantasy-Genre der Verschwörungstheorien erlebt durch zahlreiche neue crackpot-Theorien sein x-tes Revival und zumindest in Münster nimmt man sich gerade von Links mit Vorträgen und Kundgebungen der Thematik 9/11 auf ähnlich absonderliche Weise an.

Im Alten Europa – zu dem Deutschland spätestens gehört, seitdem die rot-grüne Regierung im Nachgang der Anschläge trotz der zuvor proklamierten “uneingeschränkten Solidarität” auf diplomatische Konfrontation setzte – rekurriert man gern auf das Völkerrecht, um US-Außenpolitik zu kritisieren, betrachtet ganz gehässig die Probleme der amerikanischen Ökonomie und bemüht, wenn es hart auf hart kommt, auch schon mal einen Vergleich zwischen dem amerikanischen Staatsoberhaupt und Reichskanzler Adolf Hitler.

 

Der Vortrag soll den problematischen deutschen Blick auf Amerika und damit auf die Moderne im 20. und beginnenden 21. Jahrhundert nachzeichnen, wobei der zentrale Fokus zunächst auf einem historischen Abriss bis in die Gegenwart hinein liegt, um von dieser Warte aus die Post-9/11-Ära zu beleuchten. Der in den zeitgenössischen politischen und kulturellen Debatten immer wieder auftauchende, kaum versteckte Antiamerikanismus war und ist dabei immer ein Vehikel eigener, deutscher Identitätsbildung: In der Diskussion über Amerika und Amerikanisierungstendenzen im öffentlichen Leben, im ökonomischen Sektor oder in der Populärkultur soll sich immer ein davon abweichendes, genuin deutsches Selbstverständnis spiegeln und Artikulation finden.

Amerikahasser_innen tummeln sich seit den sechziger Jahren zunehmend auf beiden Seiten des politischen Spektrums: Franz-Josef Strauß und Rudi Dutschke mögen politische Antipoden gewesen sein, doch sie benutzten ’68 ihre Kritik an den USA beide in derselben funktionalistischen Absicht. In Strauß evozierte die ökonomische Dominanz der USA den Wunsch, der “Bedrohung durch die wachsende Überlegenheit der USA” eine gesamteuropäische Antwort entgegen zu stellen, während Dutschke und seine politischen Nachfahren aus einer durchaus analogen Feststellung gar schlussfolgerten, linke Praxis habe von nun an zum Ziel, die “Macht der imperialistischen Militärmaschinerie” zu schwächen. Daran hat sich bis heute wenig geändert, die USA bilden noch immer den filmreifen Erzfeind für jede_n gute_n Antiimperialistin_en, egal ob von links oder rechts. Schon 25 Jahre nach Ende des zweiten Weltkriegs lief die Studentenbewegung unter der absurden Parole “USA – SA – SS” gegen den Vietnamkrieg Sturm, im nachfolgenden Jahrzehnt sprengte die Rote Armee Fraktion noch vor den Morden an Buback, Ponto und Schleyer amerikanische Soldaten in die Luft und die neuen sozialen Bewegungen phantasierten in den Achtzigern den baldigen Ausbruch eines Atomkriegs – natürlich verursacht durch die USA – herbei.

 

Ohne eine Kritik an dem immer wieder auftauchenden Vorwurf, die US-Politik sei imperialistisch, kann der Antiamerikanismus vor allem innerhalb der Linken nicht verstanden werden: Wer immer noch meint, die USA würden weltweit ihre ‘materialistische Kultur’ und die dazugehörigen Konsumwaren verbreiten, während die US Army als militärische Speerspitze des vermeintlich omnipräsenten ‘US-Imperialismus’ ein autochthones Volk nach dem nächsten unterjocht, sollte sich spätestens angesichts der Tatsache, dass in diesem Jahr auch Nazis mit ganz ähnlichen Argumentationsmustern ihren nationalen Antikriegstag untermalten, Gedanken machen.

 

 

 

 

 

Diese Veranstaltung findet statt mit freundlicher Unterstützung durch:

 

 

 

 

 

 

 

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